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Badeanzug, 1951

Wolle und Kunststoff
Erworben 2007 als Schenkung
Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg
Inv. 27.536

Aljona Dubrovina-Furch

Badeanzüge für Damen gehören erst seit gut eineinhalb Jahrhunderten zu unserer Garderobe. Erste Damenbadeanzüge hatten damals noch die Form eines alltäglichen langen Kleides. Diese wurden aus farbigem Chintz gefertigt und mit Rüschen verziert. Zusätzlich nähte man Bleigewichte in den Saum, damit der Rock des Kleides im Wasser keinen Auftrieb hatte. Dazu wurden häufig lange schwarze Strümpfe getragen, die später immer kürzer gerieten, damit sie unter dem Rock nicht sichtbar waren. Zu dieser Zeit war das öffentliche Baden für Frauen ein intimer und heikler Vorgang, der vor neugierigen Blicken zu schützen war. Je höher der soziale Status der Badenden, desto üblicher war es, in Begleitung eines Dienstmädchens zu baden. In unteren sozialen Gruppen badeten Frauen entweder völlig nackt oder in Unterwäsche, die oft nur aus einem einfachen langen Hemd bestand.

Mit dem Aufkommen der Eisenbahn kamen nicht nur Reisen an die nah gelegene Nordseeküste, sondern auch in warme Länder mit angenehmem Klima in Mode. Dass sich nach und nach zum Erholungs- und Hygieneaspekt auch ein sportlicher hinzugesellte, ist spätestens ab 1912 belegt, denn von da an war das Schwimmen für Damen olympische Disziplin. Ihr modernes Aussehen aber erhielten Damenbadeanzüge erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Zwar verfügten auch diese Modelle noch immer über – wenn auch viel kürzere – Röcke. Beim hier präsentierten Badeanzug ist das Rockschößchen sogar nur noch ein optisches Zierelement ohne Funktion. Verzierungen und Accessoires orientierten sich somit am Stil der aktuellen Mode – schließlich waren sie ein Zeichen der Modernität ihrer Trägerinnen. Um in den 1930er Jahren beispielsweise die Taille zu betonen, hatten Badeanzüge einen Gürtel.

Unser Objekt des Monats stammt aus den 1950er Jahren und fällt damit in die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, in der man sich erstmals wieder einen Urlaub leisten konnte. Als Material der Badeanzüge wurden moderne Wollstoffe gewählt, die auch im Wasser ihre Form behielten. Zudem lenkte der dicke Wollstoff vorteilhaft von der Körperkontur ab. Aufgrund der dunklen Farbe der Strickware war es außerdem unmöglich zu erkennen, ob der Badeanzug nass oder trocken war. Wollstrickwaren dienten für die ersten (für die 1950er teilweise recht freizügigen) Badeanzüge als strapazierfähiges Material mit ausreichender Dichte und Plastizität. Im Wasser vollgesogen wurde ihr noch immer hohes Gewicht offenbar nicht als Nachteil empfunden.

Neben dem Material wurde auch die Technik zur Herstellung sukzessive verbessert. Als industriell gefertigte Kleidungsstücke hatten sie die gestiegenen Ansprüche ihrer Trägerinnen nach Ergonomie und modischer Aktualität bei immer komplexeren Konstruktionen und Raffinesse des Schnitts zu erfüllen. Wie hochtechnisiert die automatisierte Nähtechnik war, lässt sich insbesondere an der Innenseite ablesen: Hier finden Flachstricknähte, ausgeschnittene Cups und Doppelteile ihre Verwendung, die das Verhältnis zwischen Funktion und Ästhetik in Harmonie bringen sollten. Den optischen Effekt dynamischer Bewegung erzeugt das Stoffmuster von ineinander verschlungenen blauen Wellen sowie der stilisierte Meeresschaum vor dem tiefschwarzen Hintergrund.

Links im Oberschenkelbereich des Badeanzugs befindet sich der Markenname „GoldFisch“, eine der berühmtesten und ältesten deutschen Firmen für Bademoden, deren Geschichte 1886 in Chemnitz und Umgebung begann und als frühes Zentrum der Strickindustrie im deutschen Kaiserreich bekannt war. 1923 erhielt der Betrieb als erste Textilfirma eine eigene Schutzmarke mit Namen „Goldfisch“. Firmengründer Julius Leo Fischer leitete seine Trikotagen-Fabrik bis er 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft gerade noch rechtzeitig nach Argentinien emigrieren konnte, nicht ohne seinen Betrieb jedoch zuvor auf seine Frau zu überschreiben. Im Exil gründete er eine weitere Bademodenfabrik, die mit der Marke „Aguia“ ebenfalls bekannt wurde.

 

Nach Kriegsende und Gründung der DDR erfolgte 1949 die Überführung des Betriebs ins Volkseigentum und firmierte fortan unter dem Namen „VEB Goldfischwerk VVB Trikot Oberlungwitz". Die Firma spezialisierte sich auf Damen- und Kinderunterwäsche sowie Badeanzüge. 1969 bildete sich der Großbetrieb „VEB Strickwaren Oberlungwitz” durch die Vereinigung zahlreicher Betriebe für Strumpf- und Strickwaren, modische Damenwäsche, Hausbekleidung, Sporttrikotagen und Bademoden in Oberlungwitz und Chemnitz. Seitdem wurde das Unternehmen mehrfach umbenannt; seine Organisationsform und der Standort des Hauptsitzes änderten sich ebenso. Die Wendezeit überlebte der Betrieb nur bis zu seiner Schließung im Jahr 1994.

Die Besitzerin dieses erstmals ausgestellten Badeanzugs war eine Oldenburgerin, die ihn 1951 bei Leffers kaufte und darin gerne in der Hunte schwamm. Ihr Sohn vermachte ihn dem Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg im Jahr 2007.

Literatur:
Nitsche, Jürgen: Venus – Goldfisch – Juvena. Wie jüdische Unternehmer aus Chemnitz und Umgebung die Welt der Bademode eroberten. Leipzig 2023.
Kybalová, Ludmilla; Herbenová, Olga; Lamarová, Milena: Das große Bilderlexikon der Mode. Vom Altertum zur Gegenwart. ‎ Prag 1966.
 

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