Zum Hauptinhalt springen

Ein Paar Damenpantoletten mit Unterschuhen,
erste Hälfte des 18. Jahrhunderts

Leder und Seide
Großherzogliche Altertümersammlung
Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg
Inv. 3.207/a-d

Aljona Dubrovina-Furch

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ersetzt das „intime“ Kostüm des Rokokos die prachtvolle Mode des Barock. Vorreiter hierfür war der französische Hof. Im leichteren Stil des Rokokos sind die Damenröcke noch breiter, aber auch kürzer geworden. Mit den knöchellangen Röcken wurden dadurch nicht nur Schuhe, sondern auch bestickte Strümpfe aus weißer Seide und Spitze sichtbar.

Am beliebtesten waren Stoffe, die sich weich auf der Haut anfühlten wie z.B. Satin. Der Glanz von Satin wurde mit matter Spitze kombiniert und in hellen Tönen sowie zarten Pastellfarben komponiert. Das Rokoko spiegelte die Trends seiner Epoche wider: Dekorationen, flüchtige Moden, leichte Moral. 

In Mode kamen auch vertrauliche edle Salons, anspruchsvolle Kammermusik, dekorative und reich verzierte Kleidung, Launen und sogenannte Capricen. Details und Accessoires wurden große Aufmerksamkeit geschenkt, und so bereicherte das Rokoko die High Society mit neuen Inhalten, die sich durch Anmut und Leichtigkeit auszeichneten. Im Zusammenhang mit der neuen Mode war oft von Wollust oder unschuldiger Koketterie die Rede. Mit den üblich gewordenen Morgenzeremonien des Ankleidens war für die Damen auch eine reiche Ausgestaltung des Untergewandes verbunden. Dies fand nicht nur in adligen Haushalten statt, sondern auch in bürgerlichen Häusern, wo auch Herren anwesend sein durften. Abbildungen der Zeit waren dementsprechend den höfischen Intrigen und launenhaften Amüsements gewidmet.

Unser Objekt des Monats besteht aus vier Teilen: Einem Paar Pantoffeln und einem Paar Unterpantoffeln, die jeweils ineinandergesteckt werden konnten. Sie wurden nach dem gleichen Muster genäht, ohne Unterscheidung zwischen dem rechten und linken Fuß, da zu dieser Zeit nur ein einzelner Leisten dazu diente, die Schuhe herzustellen. Durch das Tragen wurden die Schuhe eingelaufen und nahmen die Form an. Für gewöhnlich liefen Bedienstete die Schuhe ihrer Herrin ein, bis die gewünschte, bequeme Form entstanden war.

Die seidenen Damenpantoffeln sind mit kleinen Blumensträußen bestickt und haben keine Fersenkappe. Durch ihren offenen Rücken ließen sie sich leicht und spielerisch an- und ausziehen. Sie haben einen tiefen Ausschnitt und erhöhte Absätze, jeweils in einer ergonomischen, skulpturalen Form - wie eine kleine Statuette. Es sind unpraktische Schuhe, deren Absatz sich fast in der Mitte der Laufsohle befindet, um die Größe der Füße optisch zu verkleinern. So wirken die Schuhe winzig und charmant. Ein ergonomisches Abrollen der Füße war hingegen fast unmöglich.

Die innere und äußere Ledersohle sowie die Einlegesohlen wirken wie ein Kunstwerk, obwohl sie letztlich nur funktional sind. Man kann die feine Filigranarbeit des Schuhmachers daher nur bewundern. Die perfekt aufeinander abgestimmten Pantoffeln mit Absatz zu der Untersohle sind nicht nur technisch gut ausgeführt, sondern überzeugen durch ihren ausdrucksstarken Stil.

Die Geschichte der eleganten Schuhe fängt mit den mittelalterlichen Socken aus Leder oder Filz an, über die, besonders bei schlechtem Wetter, Holzsandalen gezogen wurden. Die Unterschuhe aus Leder wurden unter den Pantoffeln getragen.

Diese Art von Schuhen tauchte zuerst in der Herrenmode auf, um ein imposantes Aussehen zu verleihen. Dieser Trend wurde daraufhin auch auf die Damenmode angewendet. Mit der Zeit gaben die Männer diese Mode auf, die Damen aber behielten sie bei.

Absätze kommen in Europa erst im 17. Jahrhundert auf, wohingegen hochhackige Damenschuhe erst im 18. Jahrhundert in Mode kommen. Die unteren Sandalen dienten weiterhin als Schutz. Ihre Form wiederholte die Form des Schuhleistens mit Absatz. Ende des 18. Jahrhunderts entwickelten sich daraus gewöhnliche Damenhausschuhe, die je nach Region verschiedene Namen erhielten. In Frankreich nannte man sie beispielsweise "la moule" (die Muschel), da die Schuhe tatsächlich einer Muschel ähnelten, in deren Rundung ein eleganter Fuß gesteckt werden konnte.

Das Konzept der Unterschuhe stammt von den antiken griechischen hohen Kothurn-Schuhe, die bei der Oberschicht und Schauspielern beliebt waren. Hölzerne Unterschuhe dienten im Mittelalter Stadtbewohnern, die sie unter die empfindlichen Lederschuhe schnallten. Während im 15. Jahrhundert kunstvoll gearbeitete sehr hohe Plateauschuhe aus Venedig aufkamen, die als Statussymbol dienten, wurden im 16. Jahrhundert Schuhe auf Holzsohlen gesetzt, die auf Deutsch „Trippen“ genannt wurden, was vom Wort „trippen“ – „gehen, laufen“ abstammt. Zweck des Tragens von Trippen war in erster Linie der Schutz vor Kälte und vor Abnutzung des Schuhwerks und vor allem vor Straßenschmutz. Um sich im Winter gegen die kalten Steinböden zu schützen, wurden Trippen gelegentlich auch im Haus getragen.  

Das ausgestellte Pantoffelpaar mit seinen Untersandalen bedient wie eine Metapher die Widersprüche der Gesellschaft seiner Zeit: Einerseits sind die Schuhe ein Sinnbild des Luxus, andererseits dienten die Unterschuhe der Erleichterung alltäglicher Nöte.

Diese entzückenden Schuhe sind von hoher handwerklicher Qualität und zugleich Alltagsgegenstände, deren Hersteller, wie bei solchen Objekten leider häufig der Fall, anonym bleiben. 

Literatur:
Grew, Francis; Neergaard, Margrethe de: Shoes and Pattens. Medieval Finds from Excavations in London. London 2004.
Killisch, Sieglinde u.a. (Hg.): Oldenburg. Kulturgeschichte einer historischen Landschaft (= Kataloge des Landesmuseum Oldenburg ; Bd. 8). Oldenburg 1998.
Kybalová, Ludmilla; Herbenová, Olga; Lamarová, Milena: Das große Bilderlexikon der Mode. Vom Altertum zur Gegenwart. ‎ Prag 1966.
Niederhöfer, Kai: Mittelalterliche Holztrippen. Überlegungen zur Bedeutung, Chronologie und Typologie. In: Itinera Archaeologica. Vom Neolithikum bis in die frühe Neuzeit. Festschrift für Torsten Capelle zum 65. Geburtstag. Internationale Archäologie – Studia Honoraria, Band 22. Rahden 2005, S. 193–206.
 

AlleObjekte des Monats

Sammlung Online

App ins Schloss

Die Palma-Story