Im Rahmen des Forschungsprojekts „Das Bauhaus in Oldenburg – Avantgarde in der Provinz“ konnte im Februar 2018 der Nachlass des Bauhäuslers Hin Bredendieck (1904-1995) als Dauerleihgabe für das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg gesichert werden. Gloria Köpnick und Rainer Stamm erzählen, wie sie den Nachlass entdeckt haben und was dieser besondere Fund für das Projekt bedeutet.

Wie haben Sie den Nachlass des Designers gefunden?
Stamm: Im November 2017 hatten wir ein wissenschaftliches Symposium zum „Bauhaus in der Provinz“ veranstaltet. In einem Vortrag habe ich hierbei den Zwischenstand unserer Forschungsergebnisse zu Hin Bredendieck präsentiert. Wir hatten das Symposium auch in unserem Projektnetzwerk angekündigt und die Mitglieder der Familie Bredendieck kontaktiert und berichtet, dass ihrem Vater, Großvater bzw. Onkel ein eigener Tagungsbeitrag gewidmet werden sollte. Die Familie hat das zum Anlass eines großen Familientreffens genommen.

Köpnick: Bei dieser Gelegenheit haben wir viele Mitglieder der Familie persönlich kennengelernt, mit denen wir uns vorher nur per Mail oder telefonisch ausgetauscht hatten. Sie sind aus Deutschland, Irland, Österreich, Frankreich und Amerika nach Oldenburg gekommen. Einige von ihnen sind einander hier das erste Mal begegnet. Auch einen Ausflug nach Aurich gab es, um die Geburtsstadt des gemeinsamen Vorfahren kennenzulernen.
Stamm: Die Begegnung während des Symposiums hat gezeigt, dass sich eine Reise nach Irland lohnen könnte, denn dort lebt heute der Sohn des Designers. Er hatte die Schätze seines Vaters, die dieser bis zu seinem Tod 1995 in Amerika bewahrt hat, zurück nach Europa geholt. Wir hatten zwar gehofft, dass das Konvolut interessant sein könnte, aber erst die gemeinsame Sichtung hat die besondere Qualität des Nachlasses wirklich gezeigt.

Was haben Sie dann in Irland vorgefunden?
Stamm: Im regnerischen Januar 2018 sind wir nach Irland gereist, in die Nähe von Cork. Gemeinsam mit dem Sohn und dessen Familie haben wir zwei Tage lang am Küchentisch gesessen und die Bestände durchgeschaut. Da wir die deutschsprachigen Notizen und Texte lesen können, war auch für die Familie Vieles interessant und neu, die sich in manchen Fällen gefragt hatte, was Hin Bredendieck da alles gesammelt und aufgehoben hat.  
Köpnick: Wir haben hervorragende Zeichnungen, Skizzen, Entwürfe, Fotografien sowie Korrespondenz gefunden, die das Arbeitsprofil von Bredendieck vervollständigen. Auch seine Notizen für ein eigenes Unterrichtskonzept haben sich erhalten und werden nun ausgewertet. Darüber hinaus haben wir zum Beispiel Mitschriften aus dem Unterricht bei Oskar Schlemmer sowie zahlreiche Skizzen für Leuchten (u.a. Kandem) und Möbel, die Bredendieck am Bauhaus Dessau entwarf, entdeckt. Auch aus der Zeit mit Sigfried Giedion bei der BAG Turgi und der Wohnbedarf AG in der Schweiz haben sich Skizzen und Entwürfe erhalten. Mit Max Bill hat Bredendieck 1933 bei der Sanierung des Zürcher Corso-Theaters gearbeitet. Das können wir nun alles mit ausdrucksstarken Werken nachvollziehen und veranschaulichen.

Gibt es auch Arbeiten, die nach Bredendiecks Emigration in die Vereinigten Staaten von Amerika entstanden sind?
Stamm: Ja, Bredendiecks Weg ins Exil 1937 und seine Berufung ans New Bauhaus Chicago durch László Moholy-Nagy ist nun wesentlich besser nachvollziehbar, da sich Briefwechsel mit Moholy-Nagy und Gropius erhalten haben. Auch seine Tätigkeit als Professor für Industriedesign an der Georgia Tech in Atlanta wird dadurch fast lückenlos dokumentierbar. Also ein sagenhafter Schatz hinsichtlich der Qualität, aber auch der Quantität – und das in 2018, wo man meinen müsste, dass sämtliche Nachlässe bereits gefunden wären.
Köpnick: Die Familie hat sich dann in engem Austausch mit uns dazu entschlossen, den Nachlass zur Untersuchung ins Landesmuseum Oldenburg zu geben. Er ist zentraler Bestandteil unserer Forschung und der Ausstellung, die wir für 2019 vorbereiten. Hier am Haus ist momentan vermutlich das größte Wissen über Bredendiecks Lebens- und Werkbiografie vorhanden. Als die Kisten Ende Februar im Landesmuseum eingetroffen sind, war die Freude natürlich groß und wir sind dankbar, dass die Familie uns diesen großartigen Schatz anvertraut hat.

Gab es einen ungewöhnlichen Fund?
Stamm: Überrascht haben uns die politischen Collagen von Hin Bredendieck, die dieser um 1930 aus Zeitungsausschnitten angefertigt hat. Wir hatten auf Möbelentwürfe, Korrespondenz usw. gehofft, aber Collagen kannten wir bisher überhaupt nicht. Für Bauhäusler sind Collagen nicht ungewöhnlich. Marianne Brandt – Bredendiecks Kollegin in der Metallwerkstatt – hat etliche angefertigt, die heute weltberühmt sind; aber von Bredendieck kannten wir bisher keine.

Wie geht es jetzt weiter?
Köpnick: Hin Bredendiecks Leben und Werk stehen exemplarisch für Erfolg, Emigration und internationale Verbreitung der am Bauhaus entwickelten Design-Ideen. Die Untersuchung des Nachlasses ist vielversprechend und wird zahlreiche Lücken in der Forschung schließen, auch wenn der Fund eine Menge Arbeit bedeutet. Er ist natürlich auch ein wichtiger Baustein für unsere Ausstellung 2019. Dort werden wir verschiedene Skizzen, Entwürfe und Fotografien des Nachlasses erstmals der Öffentlichkeit präsentieren.
Stamm: Außerdem haben wir Ende Juni das Georgia Institute of Technology in Atlanta besucht, wo Bredendieck von 1952 bis 1971 eine Professur für Industriedesign innehatte. Hier liegt der zweite große Teil seines Nachlasses, von dessen Umfang wir erst dort erfahren haben. Während wir zu Projektbeginn noch angenommen hatten, dass die Bredendieck-Bestände im Bauhaus-Archiv Berlin alles Erhaltene darstellen würden, erkennen wir jetzt, dass das eigentlich nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs war.
Köpnick: Wir freuen uns darauf, im nächsten Newsletter von dieser Recherche und den faszinierenden Funden zu berichten.

Das Forschungsprojekt „Das Bauhaus in Oldenburg – Avantgarde in der Provinz“ wird ermöglicht durch Forschungsmittel des Landes Niedersachsen und unterstützt durch die Kulturstiftung des Bundes.

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