Die Darstellung des Mittelalters als ein „dunkles Zeitalter“ ist eine moderne Interpretation der mittelalterlichen Kultur. Die Kirche prägte als unangefochtene überregionale Macht das Mittelalter. Sie trat auf als die wichtigste Auftraggeberin und Quelle für Kunst und Kultur. In der Sammlung Alte Meister im Augusteum befinden sich faszinierende Beispiele unterschiedlicher regionaler Schulen aus Nordeuropa und Italien.
Eines der wichtigsten Merkmale der mittelalterlichen Kunst ist die Verwendung von Blattgold für die Hintergründe in Altar- und Andachtsbildern. Das kostbare Material zeugt vom Stellenwert der religiösen Objekte für die Kirche und die Gläubigen - man scheute keine Kosten bei der Ehrerbietung.
Die vier Evangelistentafeln von Taddeo di Bartolo (ca. 1362-1422) kommen aus der toskanischen Stadt Siena. Hier führte der Künstler gemeinsam mit Assistenten und Lehrlingen Aufträge für die Kirchen der Stadt und der Region aus. Die Tafeln waren ursprünglich Teil eines großen Altars, auf dem sie wahrscheinlich als Spitzen über größeren Bildmotiven wie einer Madonna montiert waren. Die Evangelisten sind mit ihren Attributen abgebildet, Matthäus mit einem Menschen, Markus mit dem Löwen, Lukas mit dem Stier und Johannes mit dem Adler. Der goldene Hintergrund verleiht den kleinen Tafeln bereits Glanz und hatte auf den Haupttafeln des Altars zweifelsohne eine noch beeindruckendere Wirkung.
Während in Italien im 15. Jahrhundert die Renaissance bereits ihre Blüte erlebte, blieb die Kunst im Norden Europas noch der Bildsprache des Mittelalters verhaftet.
Im Werk des Hausbuchmeisters, einem nicht namentlich bekannten Maler aus dem mittelrheinischen Gebiet, ist dennoch eine Veränderung sichtbar. Der Hintergrund ist nicht mehr ausschließlich von Blattgold bedeckt, sondern ziert die Heiligenscheine und einen Baldachin über den Figuren Maria, Christus und Marias Mutter Anna. Die Heilige Anna reicht dem Kind einen Apfel - ein Symbol für den Sündenfall. Zwischen Maria und Anna ist der Heilige Geist als Taube abgebildet. Er scheint auf das Christuskind zuzufliegen und weist so auf dessen zukünftige Rolle als Erlöser hin.
Ein für den heutigen Betrachter ungewöhnliches Objekt ist die Johannesschale von Albrecht Bouts (ca. 1455-1549). Der Maler aus der flämischen Stadt Löwen malte den Kopf des enthaupteten Johannes des Täufers auf eine vergoldete Holzschale. Auf einer Schale hatte man das Haupt des Johannes dem Auftraggeber des Mordes präsentiert. In Anlehnung daran wurde der Heilige angerufen bei Halsleiden und Johannesschalen galten im Volksglauben als Objekte mit heilender Wirkung.