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Gebr. Faller GmbH (Gebr. 1946), Bausatz 922 "Schriftensortiment", um 1959 

Kunstsstoff, Papier, Pappe
Erworben 2013 als Schenkung
Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg
Inv. 29.309

Yasmin Maaß

Miniaturwelten spiegeln Träume und Wirklichkeiten unserer Lebenswelt wider. Der Modelleisenbahnbau nimmt in diesem Kontext einen besonderen Platz ein: Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden Eisenbahnen und -strecken bis ins kleinste Detail nachempfunden. Durch die Einführung von Landschafts- und Architekturgestaltung ließen sich hierbei Welten erschaffen, die die Wirklichkeit imitierten und letztlich auch idealisierten.

Miniaturen basieren (meist) auf einem realen Vorbild, sind aber aufgrund ihrer eigenen Gestaltung und materiellen Beschaffenheit eine Interpretation des Vergleichsobjekts. Durch ihre kleinere Größe sind sie mit einem Blick erfassbar und leicht versetzbar. So lassen sich Welten verändern und inszenieren: „Die Magie von Miniaturen liegt in der scheinbar identischen und doch grundsätzlich veränderten Wiederholung des in Lebensgröße materiell (potentiell) Existierenden."

Bei dem hier gezeigten Objekt war ein kleines Stück Alltagswelt bereits für 2,25 DM zu erstehen, wie das Preisschild auf der Verpackung zeigt. In einem Karton, dessen Gestaltung an städtische Fassadenreklamen erinnert, befand sich eine Vielzahl an Aufschriften und Logos aus Plastik sowie Papier. Der Bausatz fiel in die Zeit des Wirtschaftswunders, in der große Reklamen in der Bundesrepublik der 1950er und 60er Jahre wieder vermehrt auftraten: Große Schriftzüge, leuchtende und geschwungene Neonbuchstaben sowie Leuchtkästen mit folienbeschichtetem Acrylglas prägten vielerorts das Stadtbild. Ob zur Drogerie, Apotheke oder Bäckerei nebenan – die Buchstaben, Icons oder Logos zeigten potenziellen Kund:innen den Weg. Solche Reklamezüge wurden durch diesen Bausatz 922 „Schriftensortiment“ in 87-facher Verkleinerung abgebildet. Sie waren Teil einer Bausatzreihe der Firma FALLER, mit der eine maßstabsgetreue und realitätsnahe Landschaftsgestaltung ermöglicht werden sollte. Im FALLER-Magazin gab die Firma Tipps für den Landschaftsbau und unterstrich die Bedeutung von Schriftzügen für eine realitätsnahe Gestaltung: „Aufschriften werden vor allem in Stadtteilen und bei Ladenbauten verschiedener Art benötigt. […] Nicht nur hierzu braucht man Firmenschilder. Auch kahle Mauern können mit Werbeschildern beklebt und so der Wirklichkeit entsprechend ausgestaltet werden.“

Die Firma wurde 1946 von den Brüdern Hermann (1915–1982) und Edwin Faller (1914–2006) in Gütenbach im Schwarzwald gegründet. Beginnend mit handwerklich gefertigten Baukästen für Gebäude aus Holz und Karton, entwickelte das Unternehmen vor allem seit den 1950er Jahren Bauten für Modelleisenbahnen der Spuren H0, N und Z. Weitere Materialien für eine Gemischtbauweise ergänzten das Sortiment. Das Unternehmen produzierte zunächst Miniatur-Gebäude für eine dörfliche Schwarzwaldidylle. Für den regionalen Bezug steht bis heute eine Tanne als das Firmenlogo von FALLER. Mit dem Bau von Hochhäusern am Firmenstandort Gütenbach begann die Firma ab den 1950er Jahren, Hochhäuser und moderne Gebäude zu entwickeln. Es entstanden erste Kollektionen für Stadtbauten, wozu auch dieser Bausatz gezählt werden kann. Der regionale Bezug blieb im „Schriftensortiment“ erhalten: Firmenlogos wie SABA (Schwarzwald-Apparate-Bau-Anstalt) und Badenia Brennerei verweisen auf baden-württembergische Unternehmen. Das Unternehmen verzeichnete einen bundesweiten Erfolg, sodass dieser Bausatz seinen Weg nach Oldenburg finden konnte

Die Gestaltung von Verpackungen kann hilfreiche Hinweise für Datierungen geben. Da die Firma FALLER ihr Verpackungsdesign zwischen 1960 und 1995 immer wieder veränderte, lässt sich die Verpackungsgestaltung des „Schriftensortiments“ in das Jahr 1959 datieren. Einen Hinweis hierzu bieten vor allem die gelb unterlegte Artikelnummer, die rot-weiß Schraffur und die farbige Abbildung der Schriften und Logos.

Schrift als Kulturgut bildet durch ihre Gestaltung durch Farben, Schriftart und Größe einen Bezug zur sprachlichen Bedeutung ihres Ausdrucks, zu einer Firma oder einem Produkt. Gerade die Werbung im urbanen Raum bedient sich – in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere unter Verwendung von beleuchteten Schriftzügen – an diesen Gestaltungsrichtlinien, um von nah und fern für Auftraggebende und Kund:innen zu werben. Der Kunststoffspritzguss bei FALLER erlaubte eine durchgängige Farbgestaltung und feine Linien, was bei den Schriftzügen des Bausatzes 922 sichtbar wird. Das Stadtgefühlkonnte so mit dem kleinen Schriftbausatz von FALLER nachempfunden werden. Passend dazu wurde in den Katalogen von FALLER auch das „Hochhaus 905“ mitbeworben – schließlich galt auch für Modellbahnbegeisterte: Ein jeder Wunsch, der sich erfüllt, kriegt augenblicklich neue.

Literatur:
Biene, Ulrich: Faller. Die Welt von oben, Bielefeld 2021.
Gebrüder FALLER GmbH (Hg.): FALLER-Magazin, Nr. 64, 1968.
Haas, Stefan: Modelleisenbahnen als Geschichtssimulation, in: Gertrud Lehnert/Maria Weilandt: Materielle Miniaturen. Zur Ästhetik der Verkleinerung (Mikrographien/Mikrokosmen. Kultur-, literatur- und medienwissenschaftliche Studien 2), Würzburg 2020, S. 133-148.
Lehnert, Gertrud/Weilandt, Maria: Materielle Miniaturen, in: ebd., S. 9-18

 

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