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Avantgarde in der Provinz

Das von Walter Gropius 1919 in Weimar als Schule für Gestaltung gegründete Bauhaus vereinte Kunst und Handwerk. Es prägte maßgeblich Architektur, Design und Kunst der Moderne. Das Forschungsprojekt „Das Bauhaus in Oldenburg – Avantgarde in der Provinz” untersucht die Geschichte des Zusammenwirkens des Landesmuseums Oldenburg mit dem Bauhaus während der Zeit der Weimarer Republik sowie das Wirken von vier Bauhäuslern aus Oldenburg und Ostfriesland. Anhand der exemplarischen Lebensläufe von Hin Bredendieck, Hermann Gautel, Hans Martin Fricke und Karl Schwoon wird die Geschichte des freiheitlichen und innovativen Bauhaus-Gedankens rekonstruiert. Sie erzählt von Utopie, Anpassung, Emigration und Nachwirkung der Bauhaus-Idee bis in unsere Zeit.

Kontakt

Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg
Prinzenpalais, Damm 1, 26135 Oldenburg
0441 40570-400
info@landesmuseum-ol.de

Das Landesmuseum Oldenburg war bereits seit seiner Gründung mit dem Staatlichen Bauhaus verbunden. Als einer der ersten Museums­direktoren in Deutschland unterstützte Walter Müller-Wulckow, der 1921 zum Direktor des Landesmuseums ernannt wurde, die Bauhaus-Ideen durch den Erwerb von Möbeln und Produkten. In enger Zusammenarbeit mit der Oldenburger „Vereinigung für junge Kunst” gelang so ein Transfer der bahnbrechenden Ideen der Weimarer und Dessauer Gestaltungshochschule in die Provinz. Müller-Wulckow regte Künstler des Oldenburger Landes darüber hinaus an, ihre Ausbildung am Bauhaus zu absolvieren. So formierte sich – angeregt, unterstützt und vermittelt durch die Olden­burger Initiativen – eine Gruppe von Bauhausschülern aus Ostfriesland und dem Oldenburger Land, die den Virus der Moderne und die Erfahrungen aus der wegweisenden Kunstschule nachhaltig weitergaben und verbreiteten.

Die einzigartige Avantgardegeschichte des Landesmuseums Oldenburg und die reichhaltigen Archive des Hauses ermöglichen es, das Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg – neben dem Weltkulturerbe Fagus-Werk in Alfeld an der Leine – als Avantgardemuseum der Moderne zu positionieren. Die Geschichte des Bauhaus-Impulses und der Wirkungsgeschichte dieses „erfolgreichsten kulturellen Exportartikels Deutschlands im 20. Jahrhundert” (Drucksache des Deutschen Bundestages vom 13.1.2015) wird nun auch für das westliche Niedersachsen sichtbar gemacht.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden 2019 in einer großen Ausstellung gezeigt. Begleitend ist eine Publikation erschienen. Das Projekt war zentraler Beitrag des Landes Niedersachsen zum 100-jährigen Jubiläum der Gründung des Bauhauses 2019. Das Forschungsvorhaben wurde in wissenschaftlicher Kooperation mit dem Bauhaus-Archiv in Berlin umgesetzt und im Rahmen des Forschungsprogramms Pro*Niedersachsen durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie die Kulturstiftung des Bundes gefördert.

Interview mit Gloria Köpnick und Rainer Stamm (2018)

Stamm: Wir forschen weiter und stehen in engem Austausch mit den Familien der Bauhäusler. Unsere Sammlung hat sich durch gezielte Erwerbungen vergrößert, aber auch großzügige Schenkungen sind hinzugekommen. Die Familie Schwoon hat uns als Teilnachlass den Bestand zur „galerie schwoon“ geschenkt. Dafür sind wir sehr dankbar. Zu dem Nachlass gehören auch verloren geglaubte Schülerarbeiten Schwoons, die er am Bauhaus gefertigt hat. Insbesondere in Hinblick auf unsere für das nächste Jahr (Anm. d. Red.: gemeint ist das Jahr 2019) geplante Ausstellung „Zwischen Utopie und Anpassung” haben wir wertvolle Ergänzungen erhalten.

Köpnick: Im letzten November haben wir ein Bauhaus-Symposium im Schloss organisiert. Wir hatten ein starkes Podium mit renommierten Wissenschaftler:innen. Neben vielen Fachkolleg:innen waren auch Familien der vier Bauhäusler und Interessierte aus Oldenburg dabei. Fast 100 Besucher:innen kamen zu unserer Tagung. Es gab viel positive Resonanz und auch einige konstruktive Diskussionen. Die zwei Tage waren sehr intensiv!

 

Stamm: Neben der Geschichte unserer vier Oldenburger Bauhäusler und ihrer exemplarischen Lebenswege sowie herausragenden Meisterwerken möchten wir in unserer Ausstellung auch aufzeigen, wie sich das Design verändert hat. Die schlichte Form der Möbel ist für die meisten heutzutage selbstverständlich, war damals jedoch völlig neu. Die Bauhäusler revolutionierten das Wohnen, indem sie sich von den damals üblichen, vollgestopften und verschnörkelten, überladenen Wohnräumen abwendeten. Wir wollen in unserer Ausstellung die Aufbruchsstimmung, die die damalige Zeit und das Bauhaus ausmachte, sichtbar werden lassen.

Köpnick: Nach dem Schrecken des Ersten Weltkriegs und dem Untergang der Monarchie wurde das Bauhaus 1919 in Weimar gegründet. Die ersten Kunstwerke der Bauhäusler datierten diese mit dem Jahr eins, denn es galt als Beginn einer neuen Kunst, einer neuen Ordnung. Das Bauhaus war wie ein großes experimentelles Labor, in dem neue Ideen entstanden. Ein Schwerpunkt unserer Ausstellung wird daher auf der Metall-Werkstatt liegen. Hier wurde an jedem Detail getüftelt und probiert, bis die ideale Lösung eines technisch-konstruktiven, aber auch ästhetischen Problems gefunden war. Wir fragen in der Ausstellung, was diese vier Oldenburger bewegt hat ans Bauhaus nach Weimar bzw. Dessau zu gehen, was sie dort lernten und was sie von dort mit zurück in die Provinz Oldenburg brachten.

 

Stamm: Wir haben früh geschaut, welche Werke wir aus dem eigenen Bestand zeigen können und wollen. Die Kunstgewerbeabteilung unseres Museums verfügt über sehr qualitätvolle Stücke, die Walter Müller-Wulckow, der Gründungsdirektor des Museums, schon zu Zeiten des Bauhauses gesammelt hat. Im Bereich der ‚Bauhaus-Kunst‘ haben wir früh den Radar angeschaltet, um zu schauen, welche Positionen für eine bedeutende Bauhaus-Ausstellung unabdingbar sind. Wir haben sehr gute Zusagen erhalten, so werden beispielsweise Werke von Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy zu sehen sein.

Köpnick: Fest eingeplant ist zum Beispiel ein wunderbares Hinterglas-Bild von Josef Albers aus der Sammlung der städtischen Museen Erfurt. Darüber hinaus gab es in den 1920er und 30er Jahren verschiedene Ausstellung in Oldenburg unter Beteiligung der Bauhausmeister und ihrer Schüler. Diese Ausstellungen wurden vor allem von der ‚Vereinigung für junge Kunst‘ ausgerichtet. Unterstützung erhielt diese ‚Sezession‘ des Oldenburger Kunstvereins teilweise auch vom Landesmuseum. Ein paar Werke, die damals ausgestellt waren, werden 2019 für kurze Zeit nach Oldenburg zurückkehren.

 

Köpnick: Wir beschäftigen uns mit der Gestaltung der Ausstellung. Es gibt eine bereits in den vergangenen Jahren erprobte Zusammenarbeit mit der Jade-Hochschule Oldenburg. Die Studierenden entwerfen, angeleitet von Professor Jens Peter Thiessen, dreidimensionale Modelle der zukünftigen Ausstellung am Computer. Das Fach heißt „Digitale Architekturdarstellung“. Um die Ideen zur Ausstellungsarchitektur und Gestaltung zu besprechen, gibt es regelmäßige Treffen. Wir sind bei jedem „Laborbesuch“ in der Jade-Hochschule begeistert. Es hilft uns auch, die Ausstellung von einer unbefangeneren Seite zu sehen und neue Gestaltungslösungen zu entdecken.

Stamm: Ziel ist es, im Laufe der Bearbeitung zu verschiedenen Layouts der Ausstellung zu kommen und die Rundgänge zu visualisieren. Eine inspirierende und tolle Zusammenarbeit!

Köpnick: Zudem arbeiten wir am Katalog zur Ausstellung. Nach Objekten für unsere Sammlung und Ausstellung halten wir auch immer die Augen offen. Wer mehr wissen will, findet regelmäßige Postings auf unserer Homepage und unserer Facebook-Seite.

 

Symposium „Das Bauhaus in der Provinz”

Am 2. und 3. November 2017 fand im Rahmen des Forschungsprojekts das wissenschaftliche Symposium „Das Bauhaus in der Provinz” statt. Zentrale Fragestellungen waren der Einfluss und die Auswirkungen des Bauhauses in und auf die Region, gebrochene Biografien, Bauhaus im Exil und Reeducation – Wiederaufbau – Wirtschaftswunder: Das Nachwirken der Bauhaus-Ideen nach 1945. Hier finden Sie den Flyer und die Review des Symposiums.

Wird gefördert durch

Logo des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur
Logo der Kulturstiftung des Bundes
Logo 100 years of bauhaus
Ausstellungsansicht „Zwischen Utopie und Anpassung – Das Bauhaus in Oldenburg” (2019)

Ausstellung

Vier junge Männer brachen zwischen 1923 und 1927 aus Oldenburg und Ostfriesland nach Weimar bzw. Dessau auf, wo sie die freiheitlichen und innovativen Bauhaus-Ideen kennenlernten und auf individuelle Weise von ihnen geprägt wurden.
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Zwei gestapelte Ausstellungskataloge „Zwischen Utopie und Anpassung. Das Bauhaus in Oldenburg”

Publikation

Die Publikation bietet zahlreiche Erstveröffentlichungen von Skizzen, Entwürfen und Fotografien von Arbeiten aus den verschiedenen Werkstätten des Bauhauses in Weimar und Dessau sowie Meisterwerke von Josef Albers, Wassily Kandinsky, Paul Klee, László Moholy-Nagy und Oskar Schlemmer.

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